2016 mussten über 150.000 Menschen in der EU wegen Cannabis-Sucht behandelt werden, mehr als die Hälfte von ihnen zum ersten Mal. Die meisten neuen Patienten kommen aus drei Ländern – unter anderem aus Deutschland.
- In Europa haben das Angebot und die Produktion von Rauschgiften abermals zugelegt. Wie aus dem jüngsten Bericht der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) in Lissabon hervorgeht, schlagen sich beide Entwicklungen mittlerweile nicht nur in den jeweiligen Strafverfolgungsstatistiken, sondern auch in den Gesundheitssystemen nieder. Freilich mit großen Unterschieden zwischen einzelnen Ländern und Regionen.
- Bezüglich des Cannabisgebrauchs, dem am häufigsten gebrauchten Rauschgift, haben die meisten der 28 EU-Länder zuletzt gleichbleibende oder steigende Prävalenzraten gemeldet. Absolut ist in der EU die Zahl der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 34 Jahren, die mindestens einmal im Jahr Cannabis gebrauchen, auf mittlerweile etwa 17,2 Millionen gestiegen. Dabei variieren die sogenannten Zwölf-Monats-Prävalenzraten beträchtlich. Sie reichen von 3,5 Prozent in Ungarn bis zu mehr als 20 Prozent in Frankreich.
- Etwa ein Prozent aller Europäer im Alter zwischen 15 und 65 Jahren verwendet Cannabismittlerweile täglich oder fast täglich. Dieses als „hochriskant“ bezeichnete Konsummuster sowie ein höherer Wirkstoffgehalt haben Folgen. Die Zahl der Bürger, die sich wegen Problemen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum in eine spezialisierte Behandlung begeben, steigt seit Jahren. 2016 waren nach Erhebungen der EMCDDA mehr als 150.000 Personen wegen Cannabis in einer Suchtbehandlung, davon mehr als die Hälfte zum ersten Mal. Insgesamt hat sich die Zahl der Cannabis-Patienten zwischen 2006 und 2016 um 76 Prozent erhöht. Dabei leben weit mehr als die Hälfte der neuen Patienten in nur drei Ländern: dem Vereinigten Königreich, Spanien und Deutschland.
Immer mehr Rauschgifte in der EU hergestellt
Einen ähnlichen Anstieg der Behandlungsnachfrage registriert die EMCDDA bei Kokain-Konsumenten. 2016 befanden sich etwa 67.000 Personen wegen Kokaingebrauchs in Behandlung, davon annähernd 30.000 zum ersten Mal. Hinter dieser Entwicklung stehen neben einer hohen Verfügbarkeit des Rauschgifts infolge eines immensen Anstiegs der Kokainproduktion in Lateinamerika stabile Preise sowie ein Reinheitsgrad, der so hoch ist wie zuletzt vor zehn Jahren. Das Gros derer, die sich wegen Problemen aufgrund des Kokaingebrauchs in therapeutische Behandlung begeben, ist nach Erkenntnissen der Drogenbehörde sozial gut integriert und lebt privat wie beruflich in stabilen Verhältnissen. Unverändert groß sind bei Kokain wie auch bei Cannabis die geschlechtsspezifischen Unterschiede. Etwa 85 Prozent der jeweiligen Patienten sind männlich.
Wie dynamisch der Rauschgiftmarkt ist, zeigt sich auch darin, dass immer mehr der in Europa konsumierten Rauschgifte in der EU selbst hergestellt werden. Gleichzeitig steigt der Export vor allem synthetischer Rauschgifte aus Europa in andere Erdteile, etwa von Amphetamin und MDMA („Ecstasy“) nach Australien sowie in den Nahen und Fernen Osten. Hochpotente synthetische Opioide, darunter die in den Vereinigten Staaten weit verbreiteten Fentanyl-Derivate, spielen auf den europäischen Märkten noch keine bedeutende Rolle. Allerdings werden immer mehr Substanzen dieser Art, welche die Wirkung natürlicher Opiate wie Heroin und Morphin imitieren, entdeckt. Diese Entwicklung, so heißt es in dem Bericht der EMCDDA, sollte „mit Besorgnis und Wachsamkeit“ beobachtet werden.
Synthetische Opioide allein waren im Jahr 2016 in den Vereinigten Staaten die Ursache von etwa 42.000 Drogentodesfällen. In der EU verstarben nach der Zählung der EMCDDA im selben Jahr etwa 9000 Personen an den Folgen des Rauschgiftgebrauchs – die größte Zahl davon infolge Heroingebrauchs. Doch auch hier: Tendenz steigend.
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